Kurzfilmtage Oberhausen : Wie Sisyphos im Videospiel
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Starke Bilder: Marie Foulstons „The Grannies“ lief auch bei den Kurzfilmtagen Oberhausen Bild: Marie Foulston
Die Kurzfilme Oberhausen sinnierten über das Eigenleben von Videospielcharakteren und schenkten lange Blicke in fremde Gesichter. Außerdem gab es eine späte Wiedergutmachung für Jean-Marie Straub.
Was machen eigentlich Statisten in Videospielen? In dem Kurzfilm „Hardly Working“, gezeigt im Themenprogramm „Against Gravity. The Art of Machinima” gab es darauf Antwort. So gibt es in dem Spiel „Red Dead Redemption 2“ einen Schreiner, der auf einem Pier stets zwei Nägel in die Planken schlägt und nur aufhört, wenn es regnet. Eine Frau fegt immer dieselbe Stelle, ohne dass sie irgendwie weiter käme. Und dann ist da noch die Wäscherin, die am Ende des Tages einfach so vor ihrem Haus steht, ohne mit dem Mann neben ihr zu reden. Unverdrossen gehen diese Nicht-Spiel-Charaktere ihrer Arbeit nach und erwecken so den Anschein von Normalität. Doch ihre Arbeitsroutine erfüllt keinen Zweck. Wie Sisyphos kämpfen sie gegen das Sinnlose, ihre Bemühungen sind vergeblich.
„Machinima“ – das ist eine Zusammensetzung der Begriffe „machine“, „animation“ und „cinema“. Gemeint ist, dass Videospiele oder Game Engines Animationsfilme automatisch herstellen, also bewegte Bilder produzieren. Seit 1996 gibt es diese Genre schon, inzwischen in verschiedenen Formen, zu denen auch Performance und Puppenspiel gehören. In Oberhausen konnte man sich in acht Programmen, mit Spielbefehlen wie zum Beispiel „Crack the Code“ überschrieben, davon überzeugen.
Spaß machte auch das zehnminütige Essay „Why don’t cops fight each other?“, basierend auf dem Spiel „Grand Theft Auto V“. Polizisten verprügeln darin munter mit Baseballschlägern Männer in Businessanzügen. Doch sobald sie auf Kollegen losgehen sollen, laufen sie entsetzt in die entgegengesetzte Richtung. Der Quelltext des Spiels verbietet ihnen die Kollegenschelte. Der Verhaltenskodex der „echten“ Polizei findet auf wundersame Weise Eingang in das Spiel.
Arzt-Patient-Verhältnis als Versuchsanordnung
Die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen fanden in diesem Jahr zum 69. Mal statt, nächstes Jahr steht also ein großes Jubiläum an. Lars Henrik Gass leitete das Festival zum 25. Mal, eine Konstanz, für die es Blumen von Oberbürgermeister Daniel Schranz gab. Das Herzstück des Festivals ist der Internationale Wettbewerb. Hier liefen 48 Kurzfilme, die die Kuratoren aus 4708 Einreichungen ausgewählt hatten. In den neun sorgfältig zusammengestellten Programmen knirschte und knackte es ordentlich. Hier trafen Fiktion auf Dokumentation, Animation auf Essay, Experimentelles auf Anrührendes, Unverständliches auf Erkenntnisreiches.
Einer der überraschendsten Filme war der 20-minütige „Patient“ der amerikanischen Filmemacherin und Performerin Loro Felker. In einem medizinischen Zentrum versuchen mehrere Ärztinnen und Ärzte, in Gesprächen den Leiden ihrer Patientinnen und Patienten nachzuspüren. Doch die hadern mit ihrem Kranksein und äußern sich nur ungern, sei es aus Scham, sei es aus mangelnder Eloquenz. Dann die erste Irritation: Die Patienten sollen die Gesprächsführung der Mediziner bewerten. Waren sie empathisch, konnten sie helfen? Bis sich die vermeintlich Kranken als Schauspieler herausstellen, das Arzt-Patient-Verhältnis entpuppt sich als Versuchsanordnung, in der die menschliche Interaktion mit all ihrem Unwägbarkeiten und Enttäuschungen auf dem Prüfstand steht.