Bilder der Sonne in Potsdam : Kosmische Götterfusionen
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7.35 morgens begonnen, danach in nur wenigen Stunden noch am selben Tag im Hotelzimmer vollendet: Claude Monets „Impression, Sonnenaufgang“ von 1872, nun erstmals nach Deutschland ausgeliehen Bild: RMN - Grand Palais
2500 Jahre Kampf der Sonne gegen die Finsternis: Das Museum Barberini Potsdam zeigt erstmals die vollständige Darstellungstradition unseres Zentralgestirns
In der Kunst gibt es den Zufall noch weit weniger als im Leben. Es ist daher keinesfalls kontingent, wenn sich aktuell, nach brandheißen Sommern und ebensolchen Diskussionen über die Erhitzung der Erde, gleich mehrere kulturhistorische Ausstellungen der Sonne als Quelle von Licht und Wärme und damit Ursprung des Lebens, aber auch von Gefahren widmen (so zum Beispiel in Bremens Kunsthalle).
Nur eine Institution allerdings konzentriert sich dabei vollkommen auf den Einfluss des Zentralgestirns auf die Kunst mittels seines Lichts, ein eigentlich überaus naheliegendes, dennoch nie konsequent durchbuchstabiertes Thema. Dem Museum Barberini in Potsdam glückt dies mit Bravour, noch dazu über einen Zeitraum von zweieinhalbtausend Jahren. Und dem privaten Ausstellungshaus gelingt sogar das Kunststück, jenes Urbild des Impressionismus, Claude Monets Gemälde „Impression, Sonnenaufgang“ von 1872, das dem Stil seinen Namen gab, zum ersten Mal überhaupt nach Deutschland zu bringen. Jeder kennt es von Abbildungen, die Gründungsgeschichte des Lichtstils ist vertraut: Auf die Frage an Monet, wie das Bild heiße, antwortete der Maler, der darauf ab 7 Uhr 30 morgens den Kampf der Sonne gegen den sich in Le Havre nur langsam verziehenden Nebel zu fixieren suchte und es im Hotel in nur wenigen Stunden vollendete, vorsichtig mit „Der Eindruck eines Sonnenaufgangs“? Der Kunstkritiker Leroy machte aus dem Titel ein Schimpfwort, wie so oft in der Kunstgeschichte ist der Ursprung der Stilbezeichnung somit eine Schmähung. Im Pariser Musée Marmottan Monet hängend aber haben es im Original schon sehr viel weniger Menschen gesehen. Dessen Direktor begründet das Potsdam entgegengebrachte Vertrauen bei der Eröffnung auch bündig mit dem beträchtlichen Renommee von Hasso Plattners Sammlung: Nicht weniger als 38 Monets besitzt der SAP-Mitgründer inzwischen, die größte Kollektion außerhalb Frankreichs.
Obwohl ohne Licht keine Malerei existierte, ist es die erste Überblicksschau zum Thema
Doch verbrennt der Kurator Michael Philipp Monets kirschroten Sonnenpunkt, der durch die trüben Umgebungsfarben noch weit intensiver aus der Leinwand strahlt, nicht gleich pompös zu Beginn der Ausstellung. Vielmehr inszeniert er eine kluge Klimax von der Antike über Mittelalter, Renaissance, Barock und Romantik bis in die Gegenwart, bis im zweiten Geschoss das gemalte impressionistische Manifest auf einer Einzelwand vor dem elevierten Betrachter hängt – und beglückt, wie da bei Monet Bötchen als gleichsam japanische Kalligraphie in taubenblauem Schummerlicht schaukeln und selbst der Widerschein des Lichts auf der Wasseroberfläche ebenfalls japanisierend als Zickzack-Kürzel gegeben ist.
Die Darstellungen der Sonne sind aber nicht nur kunstimmanent bedeutsam, jenseits des Gemeinplatzes, dass alles in der Malerei aus Licht und seiner Absenz im Schatten gebildet wird; auch inhaltlich schließt die Schau Beträchtliches auf, da die Sonne seit den frühesten Kulturen eine zentrale religiöse Gewalt verkörpert, vor allem aber in der griechischen Welt Apoll als Gott der Künste mythologisch mit der Sonne in einer Art göttlicher Kernfusion zu Phoibos Apollon verschmolzen wurde. Personifiziert wurde das Zentralgestirn in der Kunst von Beginn an. Als handlungstreibendes Element findet sich Sol in zahlreichen Bilderzählungen, auch dramatischen wie im Fall des indirekt durch seine Hitze umkommenden Ikarus, wobei es geradezu gruselige Vorausahnungen heutiger Ökoapokalypse-Szenarien gibt, wenn etwa Rubens auf seinem „Phaeton-Sturz“ aus der Washingtoner Nationalgalerie die durch die Hybris des Sonnengottsohns versengte Erde zeigt. Dass der malende Diplomat statt der vertrauten Quadriga fünf Pferde anschirrt, um die stoische Lehre der fünf Sinne seines philosophischen Leitgestirns Grotius ins Bild zu schmuggeln, und nicht weil er sich beim Malen verzählt hätte, ist beruhigend; dass dem Fiasko der verschmurgelten Erde im antiken Mythos nur eine Gottheit Einhalt gebieten kann, beruhigt eher nicht.