Donizetti in Zürich : Eine Königin mit Powersopran
- -Aktualisiert am
Elisabetta (Inga Kalna), im Vollbesitz ihrer Macht, die durch Gebrauch sinnlos werden wird. Bild: Toni Suter
Ziemlich schlüssig bringt der Regisseur David Alden Gaetano Donizettis Tudor-Trilogie mit „Roberto Devereux“ zu Ende. Die Sopranistin Inga Kalna ist dabei umwerfend.
Zwei kurze, harte, dicht aufeinanderfolgende Orchesterschläge bringen die einleitende Sinfonia von Gaetano Donizettis Oper „Roberto Devereux“ in Gang. Bedrohlich reißen sie das Drama um die englische Königin Elisabetta – Elisabeth I. – auf und hinterlassen ein schroffes Pausenloch. Versöhnlich weiche Klänge melden sich beschwichtigend zu Wort, doch zweimal noch fährt der Doppelschlag des Beginns dazwischen, bevor dann zart und verspielt die englische Hymne ertönt. Unheil schwebt über dem Geschehen.
Der amerikanische Regisseur David Alden, der den 1837 im Teatro San Carlo von Neapel aus der Taufe gehobenen Dreiakter jetzt am Opernhaus Zürich inszeniert hat, nimmt zu dieser Ouvertüre bereits den Schluss der tragischen Handlung mit einem Schockbild vorweg. Mitten auf der leeren Bühne liegt ein kopfloser Körper, davor das abgeschlagene Haupt. Während der Henker sich langsam entfernt, bedecken einige Diener die Leichenteile mit schwarzen Tüchern und tragen sie hinaus. Andere scheuern angestrengt den blutbefleckten Boden, doch die Spuren der grausamen Hinrichtung sind offenbar schwer zu beseitigen.
Die Neuproduktion von „Roberto Devereux“ beschließt einen Ende 2018 mit „Maria Stuarda“ begonnenen, drei Jahre später mit „Anna Bolena“ fortgesetzten Züricher Zyklus von Donizettis Tudor-Trilogie (die vom Komponisten freilich nicht als kohärente Serie konzipiert worden war). Alden hat in Zürich alle drei Opern zusammen mit seinem Ausstatter Gideon Davey auf die Bühne gebracht. Ursprünglich sollte dabei die Starsängerin Diana Damrau nach ihren glanzvollen Debüts als Maria und Anna auch die Partie der Elisabetta übernehmen. An ihrer Stelle verkörpert nun die lettische Sopranistin Inga Kalna die Monarchin.
Bei Alden ist diese Figur durch ein schreckliches Familienerbe belastet. Als Kind musste sie erleben, wie ihre Mutter von ihrem Vater umgebracht wurde. Auch ihre eigene Macht gründet wie die ihrer Vorgänger auf Gewalt, Krieg und Unterdrückung. Alden ließ schon in seiner Inszenierung von „Anna Bolena“ ein kleines rothaariges Mädchen auftreten und in „Roberto“ erneut über die Bühne geistern. All ihren politischen Erfolgen zum Trotz wird die alternde Königin hier als beschädigte, zwischen Liebessehnsucht und Rachegefühlen zerrissene Persönlichkeit gezeigt, die durch Robertos Zurückweisung an ihre Grenzen kommt.
Inga Kalna setzt das stimmlich und darstellerisch bewundernswert um. Die mit virtuosen Koloraturen und weiten Sprüngen gespickte Partie verlangt einen großen Stimmumfang und breites dramatisches Ausdruckspotential. Kalnas warm grundierter Powersopran verfügt über alle Farben für Elisabettas emotionale Achterbahnfahrt. Selbst dort, wo sie ihre Wut herausschreit und Prozessakten dazu theatralisch auf den Boden knallt, bleibt sie dem Ideal des Singens verpflichtet.