Jugendroman von Preston Norton : Die Tür des Neandertalers
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„Willst du denn gar nicht wissen, was auf der anderen Seite ist?“ Monolith in Stanley Kubricks Film „2001: Odyssee im Weltraum“ Bild: picture alliance / Everett Collection
Ab heute wird zurückgepredigt: Im Mikrokosmos der Highschool aus Preston Nortons Roman „Kurz mal mit dem Universum plaudern“ spiegelt sich manche, auch auf großer, kulturpolitischer Bühne ausgetragene Auseinandersetzung wider.
Es ist bestimmt nicht leicht, ein Buch zu schreiben, das Jungs zwischen vierzehn und sechzehn Jahren gerne lesen. Aber wenn der zweite Satz „Regel Nummer eins: Es ist alles Bullshit“ lautet, könnte es geklappt haben. Clifford Hubbard, aus dessen Mund diese Regel stammt, hält sich nicht lange auf, sondern springt gleich rein in sein verkorkstes Leben. Clifford oder „der Neandertaler“, wie ihn die Mitschüler an der Happy Valley Highschool eben nicht im Spaß nennen, ist fast zwei Meter groß und wiegt mehr als einhundert Kilo. Er hat keine Freunde, einen toten Bruder, einen saufenden Vater und eine Mutter, die als Verkäuferin in einer der letzten Videotheken, die es auf dieser Erde noch geben mag, das Geld der Familie verdient. Das alles erzählt er auf den ersten paar Seiten. Erstaunlicherweise hat man danach noch nicht genug.
Denn Cliff präsentiert sich nicht als Opfer, sondern im wörtlichen und übertragenen Sinn als Erzähler seiner Geschichte, die eine Geschichte vom Außenseiter ist, der zu (fast) jedermanns Liebling wird. Als Ich-Erzähler ist er selbstironisch („Körbchengröße B füllte ich locker aus und ging mittlerweile stramm auf die C zu“), aufrichtig vor allem, wenn es um den Suizid seines Bruders Shane geht („Und jetzt stand ich da, mit nichts außer dieser klaffenden Lücke in meinem Leben“) und direkt in der Einbeziehung seiner Leser („Ihr wisst schon ...“). Zu dem starken Eindruck von Unmittelbarkeit, der daraus entsteht, gesellt sich die Schnelligkeit. Der Autor Preston Norton wechselt oft und rasch die Szenen und er durchsetzt sie mit Dialogen im Teenager-Soziolekt, die so geschliffen sind, dass sein Buch an ein Drehbuch erinnert, was auch insofern naheliegt, als seine Hauptfigur ein Faible für Filme hat, besonders für Science-Fiction-Filme. Der weit vor seiner Zeit gedrehte „2001: Odyssee im Weltraum“ ist einer von Cliffs liebsten Filmen. Er war auch der Lieblingsfilm seines Bruders.
Sex, Drugs und Rock’n’Roll
Lange hat Cliff versucht zu verstehen, was sein älterer Bruder meinte, wenn er in Bezug auf die schwarzen Monolithen in diesem Film von einem „Tor des Lebens“ sprach und Cliff provozierend fragte: „Willst du denn gar nicht wissen, was auf der anderen Seite ist?“ In „Kurz mal mit dem Universum plaudern“ nimmt Cliff diese Frage auf und macht sich damit zum Herren seines Schicksals. Das ist rührend, manchmal auch rührselig, oft ist es lustig, spannend und durchsetzt von immer wieder schlauen Gedanken zu vielen Dingen, die Heranwachsende beschäftigen. Es geht um Sex, Drugs und Rock ’n’ roll, um Eltern und Lehrer, Tod und Teufel. Etwas Übernatürliches wohnt dem Geschehen inne, als ausgerechnet Aaron, schönster Junge der Schule und Topspieler der Football-Mannschaft, nach einem Bootsunfall in ein Koma fällt, aus dem er mit der festen Überzeugung erwacht, Gott höchstselbst gesehen zu haben. Dieser habe ihm mitgeteilt, dass sich die Dinge an der Happy Valley Highschool in fünf bestimmten Punkten ändern müssten, die Aaron fortan auf einer Liste mit sich herumträgt. Und um sie abzuarbeiten, muss er sich – Gott hat’s befohlen – mit Cliff zusammentun. Dieser tritt mutig durch das Tor zu dem neuen Leben, das sich vor ihm öffnet. Egal ob Aaron nur einen Hirnschaden davongetragen oder tatsächlich Gott gesehen hat – die Liste klingt sinnvoll. Sie zielt auf Personen an der Schule, die die Gemeinschaft spalten, tyrannisieren oder ihr Drogen verkaufen. Sie zielt auf Schüler, Lehrer und einen Unbekannten mit dem sprechenden Namen HAL, der als begnadeter Hacker über allen anderen zu schweben scheint.