Neues Buch von Arno Geiger : Der Mann, der im Papier tauchte
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Was sich wohl für Geschichten in diesem alten Papier verstecken? Bild: VISUM
Sex, Lügen und Altpapier: In seinem seltsamen Buch „Das glückliche Geheimnis“ erzählt der Bestsellerautor Arno Geiger, wie er jahrelang Tagebücher und Briefe aus dem Abfall holte – und zu eigenen Zwecken wiederverwertete.
Der österreichische Schriftsteller Arno Geiger, preisgekrönter Beststellerautor mit großer Fangemeinde, hat ein autobiographisches Buch geschrieben und es „Das glückliche Geheimnis“ genannt. Aber eigentlich wäre „Sex, Lies and Altpapier“ passender gewesen: Geiger berichtet von seinem Liebesleben als Schriftsteller zwischen den Frauen – und von dem in Wiener Altpapiercontainern. Darum handelt es sich nämlich bei dem „glücklichen Geheimnis“ aus dem Titel: Seit Studientagen ist Geiger regelmäßig in den Abfall gestiegen und hat Bücher, Kunst, Tagebücher und Korrespondenzen anderer Leute gefunden und an sich genommen. Jetzt lüftet er wortreich dieses „Geheimnis“.
Die Bücher hat Geiger behalten und gelesen – oder sie verkauft. Meist auf Flohmärkten, dreimal im Jahr. Wertvollere Bücher und Kunst (einmal findet er lithographierte Postkarten der Wiener Werkstätten) bringt er ins Auktionshaus. Was Geiger aus den Containern holt, scheint sein Leben finanziert zu haben, während er an seinen ersten Manuskripten schrieb, ein unveröffentlichter Autor in einer kleinen Wiener Wohnung mit Klo auf der Stiege.
Aber auch als Geiger dann einen Verlag gefunden hatte, der seine Bücher veröffentlichte, und selbst nach dem großen Durchbruch mit dem Roman „Es geht uns gut“, für den er 2005 den Deutschen Buchpreis bekam, hörte er nicht auf: Setzte sich frühmorgens auf sein Rad und fuhr von Container zu Container, fand mal was, fand mal nichts und schrieb währenddessen immer weiter. Wurde also prominent, schrieb ein Buch über seinen alzheimerkranken Vater, verlor den Vater, heiratete, schrieb weiter, half der Mutter zurück ins Leben, als die einen Schlaganfall erlitt, und stieg immer wieder ins Altpapier: auch dann, als er die „pekuniären Vorteile“ (O-Ton Geiger) daraus eigentlich nicht mehr nötig hatte.
Denn irgendwann war für den Schriftsteller aus dem Containern offenbar etwas anderes geworden. Und daraus erklärt sich auch der stark aufgetragen wirkende Geständniston des neuen Buchs: Aus den weggeworfenen Tagebüchern und Korrespondenzen, behauptet Geiger, habe er sich eine Menschenkenntnis zusammengelesen, die in die Geschichten seiner Romane einfloss. Er schämte sich zwar angeblich für seine „Tauchgänge“ in den Müll, findet sie unstandesgemäß – obwohl er sich gleichzeitig als freien Geist beschreibt, der über solche sozialen Urteile erhaben sein sollte. Aber Geiger schämt sich zugleich kaum, in das Privatleben anderer Leute eingedrungen zu sein, selbst wenn diese anderen Leute mit diesem Privatleben nichts mehr zu tun haben wollten, sonst hätten sie ihre Briefe und Tagebücher ja nicht ins Altpapier geworfen. Fürs Wegwerfen kann es allerdings viele Gründe geben.
Ein Doppelleben, das keines war
Offenbar wusste um Geiger herum niemand so richtig von diesen „Runden“, außer den Frauen, mit denen er zusammen war – und er ist mit so vielen Frauen zusammen, und er hat so viel Sex, wenn er ihn nur alle zehn Tage hat, erwähnt Geiger das extra. Jetzt erzählt er also die Geschichte seines „Doppellebens“, wie er es nennt. Aber das ist es gar nicht: ein Doppelleben, und diese ungenaue Wortwahl bleibt auch nicht die einzige in diesem Buch. Das Containern und das Schreiben, stellt sich im Verlauf des Buchs nämlich heraus, gehören im Leben des österreichischen Schriftstellers Arno Geiger untrennbar zusammen. Genau deshalb schreibt er letztlich dieses Buch: um zu zeigen, dass im Werk von Arno Geiger das eine ohne das andere gar nicht denkbar wäre. Hier sitzt er zum Beispiel am Manuskript jenes Romans, der ihn bekannt machen wird, die Familiengeschichte „Es geht uns gut“: