Documenta-Leiter will Ruhe : Seelenstreichler
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Alexander Farenholtz, Geschäftsführer der Weltkunstschau bis zum 30. September. Bild: dpa
Der neue Documenta-Leiter Alexander Farenholtz vergleicht seine Arbeit bis zum Ende der hundert Tage von Kassel mit der eines Fußballtrainers. Er sollte jedoch nicht nur das Team nach innen beruhigen, sondern auch die Ko-Trainer von außen stärker mitwirken lassen.
Seine Rolle, sagte jetzt in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur der interimistische Documenta-Direktor Alexander Farenholtz, der von 1989 bis 1993 schon einmal die Geschäftsführung der Schau innehatte, gleiche etwas der eines eingewechselten Fußballtrainers: „Wenn es beim Fußball einen Trainerwechsel gibt, hat man es oft einfach nur mit einem neuen Temperament zu tun. Und das kann ja vielleicht manchmal auch dazu beitragen, die Situation ein wenig zu beruhigen.“ Der Trainerwechsel in Kassel aber scheint gleichzeitig mit einer Impfung mit dem Egalitas-Virus und einer Prophylaxeansteckung mit Wegschieberitis einherzugehen, denn eine gute Woche nach dem Abgang der notorisch unverantwortlichen Generaldirektorin Schormann kommen schon wieder markige Worte der Unzuständigkeit aus Kassel: „Unter keinen Umständen“ dürfe der Eindruck entstehen, dass durch die fachwissenschaftliche Begleitung – dies war die Hauptforderung im Fünfpunkteplan der Notsitzung des Aufsichtsrats – „eine Kontrollinstanz eingeführt wird“. Es sei nicht mehr als ein „Beratungsangebot für die Kuratoren“, keine Einschränkung der kuratorischen Freiheit, so Farenholtz in dem Gespräch weiter. Bei als kritisch geltenden Werken könne das Kuratorenteam Vorschläge für eine Kontextualisierung von den Experten erbitten. „Aber auch das liegt im Ermessen der Kuratoren.“ Ebenso wenig werde es eine Prüfung der verbliebenen Kunstwerke geben.
Die Kuratoren bitte nicht stören
Man könnte die sehr kuratorenfreundlichen Bemerkungen nun als das beruhigende Streicheln der tunlichst nicht zu verärgernden Ronaldos und Beckhams durch einen erfahrenen Verwaltungsbeamten verstehen. Nimmt man allerdings die von Farenholtz selbst gewählte Trainer-Metapher ernst, darf man sich schon fragen: Würde ein neuer Coach der Mannschaft, die unter der Ägide seines Vorgängers derart viel Bockmist gebaut hat, ein fröhliches „Weiter so!“ zurufen, weil sie so super gespielt hat? Es ist im Sport ja nie nur der Trainer allein, und das trifft auf die sehr politische Documenta-15-Kunst in besonderem Maße zu, die stark von ihren unübersehbar vielen Kuratoren bestimmt wurde. Das Kollektiv Taring Padi hatte das hundert Quadratmeter große Banner mit antisemitischen Motiven aufgestellt, nicht beanstandet von den Documenta-Kuratoren Ruangrupa, inzwischen abgebaute Filme der antisemitischen RAF Japans und die Serie „Guernica Gaza“ wurden und werden gezeigt.
Dieses betreuende Coaching muss – von Farenholtz nach Kräften unterstützt – das „Team Gremium“ leisten können, welches in den kommenden zwei Wochen bestimmt wird (und für dessen Mannschaft einer der Spielerstars, Meron Mendel, schon im Vorfeld absagte). Wenn der Interimstrainer nun äußert, „die zu behandelnden Themen reichen sowohl inhaltlich als auch zeitlich weit über die Documenta hinaus“, schießt er anstelle der Spieler den Ball deutlich zu weit aus dem Spielfeld.